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„Energiemanagement muss zur Chefsache gemacht werden“

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„Energiemanagement muss zur Chefsache gemacht werden“

Angelo Lo Voi ist Prokurist und Leiter Energiemanagement sowie Technische Gebäudeausrüstung bei der Rieker Planungsgesellschaft in Frankfurt am Main. Für die Hochschule Heidelberg ist der Diplom-Ingenieur und Diplom-Kaufmann als Lehrbeauftragter tätig. Im Interview mit Piepenbrock Panorama spricht er über die Potenziale des Energiemanagements sowie aktuelle und zukünftige Entwicklungen auf diesem Gebiet.

Sie unterrichten angehende Fachwirte im Facility Management unter anderem zum Thema Energiemanagement. Weshalb spielt das Thema eine wichtige Rolle in der Bewirtschaftung von Gebäuden?

Gebäude teilen sich in ein „innerhalb“ und „außerhalb“ des Gebäudes auf. Energien werden in das Gebäude eingetragen oder verlassen es. Es findet also ein permanenter Energieaustausch mit der Umwelt statt. Die Bewirtschaftung einer Immobilie beinhaltet damit auch immer die Bewirtschaftung ihrer Energieflüsse. Diese Energieflüsse können gemanagt, also gesteuert werden. Das alleine greift aber noch zu kurz. Möchte man zusätzliche, wichtige Faktoren wie Einsparmöglichkeiten, Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit beachten, braucht es Intelligenz im Energieaustausch. Erst dann sprechen wir von Energiemanagement.

Das ermöglicht eine nachhaltige und effiziente Ressourcenverwendung sowie die Reduzierung von Emissionen und negativen Umweltauswirkungen.

Steigende Energiepreise, neue wissenschaftliche Erkenntnisse – Stichwort Klimawandel – und damit auch neue gesetzliche Anforderungen führen dazu, dass dieser Thematik immer größere Bedeutung zukommt. Das energiepolitische Zieldreieck bestehend aus Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Versorgungssicherheit wird so für jedes Gebäude relevant. Daher spielt das Energiemanagement eine wichtige Rolle in der Bewirtschaftung von Gebäuden.

Warum ist es lohnenswert für Unternehmen, sich beim Betrieb ihrer Immobilien mit dem Thema Energiemanagement auseinanderzusetzen?

„You can’t manage what you don’t measure.“ Diese Managementgrundlage von Peter Drucker wird kontrovers diskutiert, trifft meiner Meinung nach im Gebäudesektor allerdings sehr wohl zu. Die Einführung und die Umsetzung eines Energiemanagementsystems versetzt Unternehmen in die Lage, Einfluss auf die Energiesteuerung und somit auf den Energieverbrauch zu nehmen. Mit Hilfe eines Energiemonitorings werden diese Verbräuche transparent und können zugeordnet werden. So kann zum einen analysiert werden, an welcher Stelle die größten Einsparpotenziale liegen, aber auch ob es große Differenzen zwischen Soll- und den Ist-Verbräuchen gibt. Auf diese Weise wird das Thema Energie zu einer Stellschraube, an der man drehen kann und spricht nicht mehr nur über eine fixe Kostenposition.

Erst durch einen dokumentierten Energieverbrauch werden auch ein Benchmarking und Vergleiche möglich. Als Ergebnis erhält man die Möglichkeit zur Kostenreduktion und rein ökonomisch betrachtet einen Wettbewerbsvorteil sowie eine höhere Versorgungssicherheit für das Unternehmen. Nicht in allen Fällen ist es notwendig, ein zertifiziertes Energiemanagementsystem einzuführen. Energie und Kosten können Unternehmen trotzdem einsparen, indem sie zum Beispiel einen spezialisierten Dienstleister beauftragen, mit Personal und Expertise beim Energiemanagement zu unterstützen.

Worin liegen die Hinderungsgründe, dass sich viele Unternehmen heute noch nicht mit Energiemanagement befassen?

Der größte Hinderungsgrund besteht wohl in der Prioritätensetzung, die eben nicht auf das Energiemanagement gelegt wird. Entweder ist das Thema nicht im Blickfeld oder aber es ist im Blickfeld, erhält aber keine weitere Aufmerksamkeit oder die Zeit dafür fehlt. Selbst wenn Unternehmen das Thema angehen, können Hürden auftauchen.

Die Studie „Erfolgsfaktoren eines ganzheitlichen Energiemanagements“ von PricewaterhouseCoopers kommt zu dem Ergebnis, dass fehlendes Kapital oder eine möglicherweise lange Amortisationszeit einer Investition schnell zur Abkehr führen[1].

 

Welche Einsparpotenziale können durch den Einsatz moderner Gebäudetechnik und eines professionellen Energiemanagements realisiert werden?

Zunächst können durch nicht verbrauchte Energiemengen direkt die entsprechenden Kosten hierfür eingespart und CO2-Emissionen reduziert werden. Was das in Zahlen bedeutet ist selbstverständlich von Fall zu Fall unterschiedlich, jedoch zeigt die Erfahrung, dass oftmals mehr als zehn Prozent des Energieverbrauchs schon direkt nach der Einführung eingespart werden können. Darüber hinaus ergeben sich aber auch Einsparmöglichkeiten bei Energiesteuern und -umlagen

Unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht die Einführung eines Energiemanagementsystems nach ISO 50001 einem Unternehmen des produzierenden Gewerbes die Stromsteuer und EEG-Umlage zu reduzieren. Die Grundlage hierfür bildet die „besondere Ausgleichsregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)“.

„Energiemanagement muss zur Chefsache gemacht werden“

Spezialisierte Dienstleister unterstützen Unternehmen beim Energiemanagement mit Personal und Expertise. (Bild: Piepenbrock Unternehmensgruppe GmbH + Co. KG)

Gibt es Unternehmen oder Branchen, die überproportional profitieren?

Ganz klar sind das die Unternehmen, die einen überproportionalen Energieeinsatz aufweisen. Speziell denke ich hier an energieintensive Industriezweige wie Metallverarbeitung oder die chemische Industrie. Andere Beispiele sind Krankenhäuser und Shoppingcenter – also diejenigen, wo Energie einen sehr langen Hebel darstellt.

Aber auch Unternehmen profitieren, die durch relativ geringe Aufwendungen vergleichsweise große Potenziale nutzen können. Das klassische Beispiel ist die Modernisierung einer alten und ineffizienten Wärme- oder Kälteversorgung beziehungsweise die Optimierung der Energieverteilung.

Lohnt es sich beim Energiemanagement auf einen externen Dienstleister zurückzugreifen und wenn ja, warum?

Teils, teils. Ich rate gerne dazu eine klare Trennung zwischen Einführung und Betrieb des Energiemanagementsystems vorzunehmen und eine ebenso klare Trennung in der organisatorischen Zuordnung dieser beiden Aufgaben. Für eine initiale Potenzialanalyse, die dann als Entscheidungsgrundlage dient, ist die Erfahrung und Expertise von externen Dienstleistern oft sehr hilfreich. Auch bei der Einführung des Systems, der Sensibilisierung und Schulung von Mitarbeitern rate ich zu Unterstützung von außen.

Der Betrieb des eingeführten Systems selbst sollte jedoch intern organisiert und ausgeführt werden. Hier ist es hilfreich einen Energiebeauftragten oder eine Arbeitsgruppe mit den entsprechenden Verantwortlichkeiten zu betrauen. Das Thema als solches muss jedoch unbedingt zur Chefsache gemacht werden und auch von hieraus gesteuert sein.

An welchen Stellen bietet der Staat in der Betriebsphase von Gebäuden Anreize durch Fördermöglichkeiten?

Ein indirekter Anreiz besteht in der bereits genannten möglichen Reduzierung der EEG-Umlage. Eine direkte Förderung von Energiemanagementsystemen durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist Ende 2017 leider ausgelaufen.

Ich kann mir vorstellen und würde mir wünschen, dass hierzu ein Nachfolgeprogramm aufgesetzt wird. Kleine und mittlere Unternehmen können zudem einen Zuschuss für „Energieberatungen im Mittelstand“ erhalten.

Wagen Sie einen Blick in die Kristallkugel: Welche Technologien werden sich durchsetzen und wo geht die Reise beim Energiemanagement hin?

Meiner Ansicht nach bergen Technologien, die die Chancen der Digitalisierung nutzbar machen, großes Potenzial. Beispielsweise durch die Ermöglichung zeit- oder lastvariabler Stromtarife über die bisherigen Hoch- und Niedertarife hinaus. Durch die Zunahme der erneuerbaren Energien ist das Stromangebot mehr und mehr dargebotsabhängig – das heißt, die Stromproduktion hängt von der Witterung ab. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass eine daran ausgerichtete Nachfrage angereizt werden könnte. Das Energiemanagement wird um den Gedanken des Nachfragemanagements erweitert. Hier werden Speichertechnologien und deren intelligenter Einsatz eine wichtige Rolle spielen. Ähnliches ist im Wärmesektor denkbar. Die Energiewende war bisher hauptsächlich eine Stromwende, die das Thema Wärme außen vor ließ. Unter dem Stichwort Sektorenkopplung könnte der Gesetzgeber auch hier nachziehen und die Verbindung der Segmente Strom- und Wärme vorantreiben.

Generell erwarte ich, dass die Vernetzung und automatische Kommunikation in vielen Bereichen einschließlich der Elektromobilität zunimmt. Im Kleinen bedeutet das zum Beispiel die Verknüpfung mehrerer Gebäude, aber auch und insbesondere im Großen wird eine Intensivierung stattfinden. Dabei werden dann mehrere Städte, Länder und vielleicht auch Kontinente miteinander als ein System interagieren. Dazu kommt eine globale Vernetzung der Energie, mit dem Ziel einer regenerativen und orts- und zeitabhängigen Energiebereitstellung. Es ist gut möglich, dass die Energie dann tagsüber mit Hilfe von Solarmodulen in Afrika gewonnen und in den Nachtstunden in Nordeuropa verbraucht wird.

[1] https://www.pwc.de/de/energiewende/assets/energieverbrauch_erfolgreich_steuern.pdf

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