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„Die Branche hat Resilienz und Krisenfestigkeit gezeigt“

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Thomas Ball, Partner für Facility Management & Instandhaltung sowie Zeitarbeit bei Lünendonk & Hossenfelder, spricht über die FM-Branche

Thomas Ball ist Partner für Facility Management & Instandhaltung sowie Zeitarbeit beim Marktforschungsunternehmen Lünendonk & Hossenfelder. Das Unternehmen bietet systematische Branchen- und Unternehmensanalysen sowie Beratung mit dem Fokus auf B2B-Services. Im Interview spricht Ball über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen in der FM-Branche.

2019 haben Sie die Themen Personal und Digitalisierung als Herausforderungen für FM-Unternehmen genannt. Was hat sich seitdem verändert?

Nachhaltigkeit hat inzwischen eine ganz andere Bedeutung gewonnen. Die ESG-Regulierung der Europäischen Union ist ein Treiber für die Immobilienwirtschaft, die am Ende des Tages auch an FM-Dienstleister weitergegeben wird. Sie müssen über ihre nachhaltige Ausrichtung berichtsfähig sein. Mit dem Homeoffice hat sich die Büroarbeitswelt verändert. Wie häufig sollten Mitarbeitende ins Büro kommen? Welche technische Ausstattung möchte ich ihnen bieten? Und wie wirkt sich das mobile Arbeiten auf den Service aus? FM-Unternehmen sollten hinterfragen, ob Reinigungsleistungen heute flexibler und bedarfsorientierter gestaltet sein müssen. Auch Employer Branding hat an Bedeutung gewonnen. Qualifiziertes Fachpersonal zu finden und es von ihrem Mehrwert zu überzeugen, ist eine Herausforderung, der sich Unternehmen stellen müssen.

Personal bleibt ein wichtiges Thema – mit neuen Anforderungen. Die Technik hat sich weiterentwickelt, die Digitalisierung konkretisiert sich. Marktfähige Lösungen wie Reinigungsrobotik werden von Kunden erwartet und wirken sich deutlich auf den Personalmangel sowie die Gebäudereinigung aus. Tagesbegleitende Reinigung hat an Attraktion gewonnen, es gibt immer mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigte und FM-Dienstleister stellen sich vermehrt die Frage: Welche Aufträge können wir noch schaffen? Beim Blick auf den gesamten Markt beobachten wir Unternehmen, die expandieren, um länderübergreifend leistungsfähig zu sein. Zudem sehen wir Gesamtdienstleister, die ihre Leistungen stärker auf Segmente oder ausgewählte Leistungen konzentrieren.

Dazu kommen lange Lieferketten sowie die Inflation. Inwiefern sind FM-Dienstleister und ihre Auftraggeber davon betroffen?

Bis 2016 dachten wir, die Globalisierung sei grenzenlos. Heute stellen wir internationale Lieferketten infrage. Dazu haben die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg wesentlich beigetragen. Während in der Pandemie vermeintliche Standardprodukte zeitweise nicht verfügbar waren, haben wir seit dem Krieg in der Ukraine die Handelsbeziehungen zu Russland in wesentlichen Teilen heruntergefahren. Auch FM-Dienstleister bekommen die langen Lieferzeiten für Ersatz- und Bauteile zu spüren – erste Unternehmen reagieren bereits.

Gerade in der Automobil- und Pharmaindustrie werden Produktionskapazitäten zurückgelagert und neue Werke in Deutschland eröffnet. Das erweitert den Markt für Instandhaltungsdienstleistungen. Auch die Inflation und die deutlich gestiegenen Energiekosten treffen die FM-Dienstleister an unterschiedlichen Fronten: Dienstleistungen werden teurer und Mehrjahresverträge müssen mit dem Kunden neu verhandelt werden. Das führt zu Unsicherheit auf Unternehmensseite. Auch privat wirkt sich die Preissteigerung aus: Mitarbeitende müssen mehr Geld verdienen, um ihre Heizkostenrechnung zahlen zu können.

Wie gehen FM-Unternehmen mit den neuen Herausforderungen um?

FM-Unternehmen sehen neue Kosten auf sich zukommen, hinterfragen ihre Strukturen und schauen, wo sie Geld einsparen können. Wir sehen, dass Unternehmen ihre Leistungen bündeln, über integrierte Verträge nachdenken – teilweise auch länderübergreifend.

Sie sind aber auch offener für größere Veränderungen geworden – ob bei der Energiekosten-Einsparung, Prozessoptimierung, Digitalisierung oder beim Thema Nachhaltigkeit.

Und inwiefern haben sich die Kundenanforderungen verändert?

Wir beobachten, dass Glaubwürdigkeit, belastbar aufzutreten und Kurs zu halten wichtige Kompetenzen sind und von potenziellen Kunden honoriert werden – gerade in der aktuellen Zeit. Sie schauen sich ein Angebot an und entscheiden, ob sie einem Dienstleister und seinem Angebot vertrauen. Immer mehr Kunden fragen ihre Dienstleister, was sie ihnen an nachhaltigen Leistungen bieten können.

Einige lassen sich die nachhaltige Ausrichtung sogar vertraglich zusichern. Das spielt Unternehmen in die Karten, die sich wie Piepenbrock schon seit vielen Jahren mit Nachhaltigkeit beschäftigen. Denn es ist glaubwürdiger, etwas schon lange umzusetzen, als erst bei aktuellem Bedarf damit anzufangen.

Wie wichtig schätzen Sie die nachhaltige Ausrichtung von FM-Unternehmen ein und wie gut sind diese aufgestellt?

Ich glaube, dass Nachhaltigkeit auf der Spitze der öffentlichen Debatte ist. Die Bedeutung für den Markt wird allerdings erst in zwei bis vier Jahren spürbar werden – wenn dadurch Kundenanfragen kommen, Verträge unterschrieben werden und sich Unternehmen an ihrer nachhaltigen Ausrichtung messen lassen müssen. Viele FM-Dienstleister beschäftigen sich schon lange mit Nachhaltigkeit – immer mehr folgen dem aktuellen Trend.

In der Umsetzung sehen wir deutliche Unterschiede. Während die einen seit mehreren Jahren CO2-neutral handeln, digitalisieren andere ihre Unterlagen. Es stellt sich die Frage, wann es sich für ein Unternehmen lohnt, nachhaltige Schritte zu gehen und beispielsweise auf Elektromobilität umzurüsten. Wenn es um Beratungsleistungen, technische Expertise und innovative Geschäftsideen geht, die dem Kunden einen Mehrwert bieten, sind viele FM-Dienstleister inzwischen gut aufgestellt.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung der FM-Branche?

Die FM-Branche hat in den vergangenen zwei Jahren ihre Resilienz und Krisenfestigkeit gezeigt und eindrucksvoll bewiesen, dass der Betrieb von Gewerbeimmobilien ohne sie nicht möglich ist. Viele Unternehmen haben in der Krise gesehen, dass sie sich auf ihre Dienstleister verlassen können. Das hat der Branche einen Schub gegeben. Am Ende des Tages ist die FM-Branche aber davon abhängig, wie sich die Wirtschaft in Deutschland entwickelt.

Wir sehen die Zeiten günstig, als Dienstleister mehr Verantwortung zu übernehmen und neben der operativen Leistung auch das taktische FM einzubeziehen. Wir beobachten, dass große Unternehmen bereits darauf reagieren und Aufgaben an Dienstleister abgeben, um sich auf andere Themen konzentrieren zu können.

Wo sehen Sie die FM-Branche in 12 bis 18 Monaten?

Ich glaube, mittelfristig wird das eine oder andere Unternehmen aus den Top 25 der Branche seine Eigenständigkeit verlieren. Transaktionen haben momentan eine hohe Dynamik und werden sich in naher Zukunft wesentlich auf die Branche auswirken. Internationale Player prüfen den Markteinstieg nach Deutschland. Unternehmen mit einem deutschen Hauptsitz streben die Internationalisierung im europäischen Ausland an. Auch die Zins-Entwicklung sollten wir intensiv im Blick behalten: Wenn die Zinsen weiter steigen, wird Geld aus der Immobilienwirtschaft abgezogen.

Das wird sich auf Projektentwicklungen und den Gebäudebestand in der FM-Branche auswirken. Ich denke, Piepenbrock ist gut aufgestellt, um die Herausforderungen der kommenden Monate frühzeitig zu erkennen. Es gibt eine Reihe Piepenbrocker, die den Markt sehr intensiv und in der Tiefe kennen und viel gesuchte Gesprächspartner zu aktuellen Entwicklungen sind. Aus meiner Erfahrung schätzen die Kunden so eine Beratungs- und Fachkompetenz beim Dienstleister sehr.

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