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„Die Digitalisierung wird nicht geräuscharm verlaufen“

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„Die Digitalisierung wird nicht geräuscharm verlaufen“ (Foto: Prof. Dr. Klaus Homann)

Professor Klaus Homann ist Leiter des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen Facility Management an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart. Im Interview mit Piepenbrock Panorama spricht er über das Thema Digitalisierung im Facility Management (FM) und die Auswirkungen der digitalen Transformation auf die Arbeitsplätze der Zukunft.

Das Thema Digitalisierung bestimmt die öffentliche Diskussion. Wie schätzen Sie die Auswirkungen auf das Facility Management ein?

Die Digitalisierung von Wertschöpfungsketten wird die Produktion von Gütern und Dienstleistungen in den nächsten Jahren nachhaltig verändern – und so auch das FM. Auf Seiten der Kunden von Facility-Service-Anbietern sehen wir mittlerweile weit verbreitet die Entwicklung und Implementierung von Digitalisierungsstrategien. Damit geht auch die zunehmende Bereitschaft zu Investitionen in Industrie 4.0-Anwendungen einher, um Wertschöpfungsketten vollständig digital zu gestalten. Das wird nicht ohne Konsequenzen für das FM bleiben, da es zur bestmöglichen Unterstützung der Wertschöpfungsprozesse des Kunden die eigenen Wertschöpfungsprozesse digitalisieren muss. Gleichzeitig steigt auf Kundenseite die Erwartungshaltung, dass – bei mindestens gleichbleibendem Qualitätsanspruch – das FM durch Digitalisierung Services effizienter erbringen wird. Der Remotezugriff auf die technische Gebäudeausrüstung wie beispielsweise Heizung, Klima oder Lüftung ermöglicht die Fernwartung und kann im Servicefall schnell und effizient unterstützen.

Gleichzeitig werden Kosten durch wegfallende Anfahrtswege gesenkt. Durch die Kopplung von Assistenzsystemen mit mobilen Endgeräten wie Smartphones, Tablet-PCs und sogenannten Wearables (insbesondere Datenbrillen) werden zudem völlig neue Konzepte der Ausführung von Services ermöglicht. Mit Hilfe von Virtual- und Augmented-Reality-Applikationen und Indoornavigation können Servicemitarbeiter zu den jeweiligen Anlagen geleitet werden, Handbücher abrufen und bei komplexeren Instandsetzungsarbeiten mit einer technischen Leitstelle verbunden sowie durch die einzelnen Prozessschritte geführt werden. Mithilfe der virtuellen Unterstützung können die Unternehmen zukünftig auch mit vergleichsweise gering qualifiziertem Personal eine hohe Servicequalität bieten.

Für Facility Manager geht es darum Daten digital zu managen und Softwarelösungen einzusetzen, die dem Kunden Mehrwerte bieten – welche Mehrwerte sind das?

Der Einsatz von Big Data Analytics und leistungsfähigen verknüpften Softwarelösungen versetzt den Dienstleister in die Lage, Leistungen präziser und effizienter zu erbringen. Gleichzeitig wird die Ausführung der Services transparenter und damit für den Kunden nachvollziehbar. Gerade im Hinblick auf die rechtssichere Dokumentation bietet die Digitalisierung einen enormen Mehrwert.

So können zukünftig Instandhaltungsdokumentationen direkt vor Ort, vom Assistenzsystem geführt, erstellt und abgelegt werden. Erfolgt dies dann auch noch in einer Blockchain, sind für den Kunden nicht nur Datensicherheit sondern auch Datenverfügbarkeit gesichert – selbst bei einem Dienstleisterwechsel.

Was müssen Auftraggeber von FM-Dienstleistungen investieren, um von der Digitalisierung zu profitieren oder müssen die Dienstleister in Vorleistung gehen?

Die Bereitschaft der Auftraggeber von FM-Dienstleistungen in diesem Bereich zu investieren ist derzeit noch nicht besonders ausgeprägt. Nachrüstungen und Nachbesserungen sind erfahrungsgemäß immer teurer. Insbesondere im Bestand wird der Dienstleister daher wahrscheinlich in Vorleistung treten müssen. Lösungen stellen das Nachrüsten von gebäudetechnischen Anlagen mit Sensor- und cyber-physischen Systemen sowie die Implementierung von Cloud-Schnittstellen dar. Dieses Upgrade gibt es aber nicht zum Nulltarif.

Etwas anders wird sich zukünftig die Situation in Neubauten darstellen. Building Information Modeling (BIM) ist als Methode auf dem besten Weg zum Standard in der Branche zu werden. Wird neben BIM auch eine hocheffiziente, vernetzte Gebäudeautomation und Sicherheitstechnik realisiert, steigt zwar der Investitionsaufwand, diesem stehen aber signifikante Effizienzgewinne gegenüber. Diese werden zum Beispiel durch den Einsatz von Energiemanagement-Systemen realisiert.

Welche werden die nächsten Schritte bei der Digitalisierung im FM-Markt sein und welchen zeitlichen Horizont sehen Sie?

FM-Dienstleister müssen beginnen, eine umfassende Digitalisierungsstrategie zu entwickeln, denn diese wird zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor. Dies gilt umso mehr für Dienstleistungssegmente, in denen der Wettbewerb nicht über den Preis, sondern über die Qualität ausgetragen wird. Nur mit einem überdurchschnittlichen Serviceniveau können Kunden überzeugt und langfristig gebunden werden. Eine besondere Herausforderung werden für den FM-Dienstleister die zu erwartenden verschiedenen Transformationsgeschwindigkeiten der Digitalisierung bei Nutzern, Betreibern und Gebäuden darstellen. Während neue Industrie 4.0-Technologien auf Ebene der Nutzer sehr kurzfristig implementiert werden, vollzieht sich der Wandel im Gebäude nur verzögert.

Dazwischen muss sich nun die digitale Transformation auf Seiten des Dienstleisters vollziehen. Er wird also durch den Nutzer getrieben und durch technische sowie strukturelle Merkmale des Gebäudes ausgebremst. Die schnellste Transformation werden wir in der Instandhaltung sehen. Vernetzte, mit Sensoren ausgerüstete gebäudetechnische Anlagen ermöglichen die kontinuierliche Überwachung ihrer Auslastung und ihres Zustandes in Echtzeit. Außerdem kann eine vorausschauende Instandhaltung erfolgen, indem durch den Abgleich mit den Daten vergleichbarer Anlagen von Verschleiß betroffene Bauteile oder mögliche Fehlfunktionen präventiv erkannt werden.

Beim Thema Digitalisierung wird häufig über Software und Daten gesprochen – wo bleibt dabei der Mensch?

Die intensive Diskussion um “fit für 4.0” dreht sich vorwiegend um Big Data Analytics, Automatisierung, Robotik oder additive Verfahren. Der Mensch wird hierbei in weiten Teilen vernachlässigt. Das hat fatale Folgen. Denn: Die digitale Transformation muss gewollt sein und von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit getragen werden. Aber: Starre Hierarchien und Bewahrertum blockieren die digitale Transformation. Eine Folge der Digitalisierung wird die Implementierung zentralisierter und prozessorientierter Organisationsmodelle sein. Organisationseinheiten werden verschlankt und Verantwortung konzentriert.

Damit steigen und verändern sich die Anforderungen an Organisation und Mitarbeiterführung. Damit einher gehen die Entwicklung einer Leitkultur, die von Transparenz, Offenheit und Wandelbarkeit geprägt ist, die Förderung von Agilität sowie die Transformation in eine prozessorientierte Organisation. Zukünftig werden Netzwerke aus Mitarbeitern und Abteilungen zur Alternative oder Ergänzung zur traditionellen hierarchischen Struktur. All das führt in Teilen der Arbeitnehmerschaft zu enormen Ängsten – nicht nur vor der Veränderung, sondern auch um den eigenen Arbeitsplatz.

Studien prognostizieren, dass in den kommenden Jahren viele der Jobs, wie wir sie heute kennen, verschwinden. Was bedeutet dies für den Standort Deutschland?

In seiner diesjährigen Studie ging das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Frage nach, in welchem Ausmaß menschliche Arbeit durch Maschinenintelligenz ersetzbar ist. Hierin stellt das IAB fest, dass „der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in einem Beruf mit hohem Substituierbarkeitspotenzial arbeiten, von 15 Prozent im Jahr 2013 auf 25 Prozent im Jahr 2016 gestiegen ist“.

Mit anderen Worten, ein Viertel aller Jobs könnte betroffen sein – das sind mehr als acht Millionen Menschen in Deutschland. Allerdings gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die künstliche Intelligenz die menschliche in absehbarer Zeit nicht völlig verdrängt und dass Unternehmen nicht alle diese Potenziale ausschöpfen werden.

Welche Berufsgruppen sind Ihrer Meinung nach hiervon vordringlich betroffen?

Am stärksten betroffen sind Verkehrs- und Logistikberufe, unternehmensbezogene Dienstleistungsberufe und Reinigungsberufe sowie mit etwas Abstand auch Sicherheitsberufe. Aber auch hier wiederum nicht alle. Betroffen sind hier insbesondere einfache, standardisierte Routineaufgaben.

Damit wird deutlich, dass auch FM-Services davon betroffen sein werden. Aber: Ein großer Teil der durch das FM erbrachten Leistungen sind stark individualisiert, bedürfen regelmäßig der Kommunikation und Entscheidung. Zumindest auf mittlere Sicht besteht die Chance, dass diese Services nicht zu stark betroffen sein werden.

Wie wird der FM-Arbeitsplatz der Zukunft aussehen und welche Fähigkeiten müssen Mitarbeiter dorthin mitbringen?

Der FM-Arbeitsplatz wird zukünftig stark durch die Verantwortung für digitalisierte Prozesse gekennzeichnet sein. Hierbei erfahren die Stelleninhaber eine starke Unterstützung durch prozessorientierte Assistenzsysteme. Und hier liegt die Krux. Denn Vorsicht: Digitalisierung frisst eventuell Hirn! Der Wille, digitale Transformation zuzulassen, schaltet gegebenenfalls das Gehirn aus. Die Digitalisierung kann den Fokus vom Kunden auf das System ändern. Das heißt, der Mitarbeiter bedient vorrangig das System und kümmert sich nicht mehr um seinen Kunden oder die Problemlösung. Aus Systemunterstützung wird so Führung durch das System. Die digitale Transformation erfordert in Zukunft nicht nur veränderte fachliche Fähigkeiten wie zum Beispiel Kompetenz in Automatisierung, Big Data Analytics, Assistenzsystemen oder Blockchain.

Außerdem gewinnen interdisziplinäre Fähigkeiten mit der digitalen Transformation enorm an Bedeutung. Die Anforderungen an die methodischen, sozialen und Führungskompetenzen werden sich weiter entwickeln, da die Digitalisierung zu einem steigenden Bedarf an Koordination, Kommunikation und Moderation führen wird. Die Konsequenzen für die Ausgestaltung von Berufsbildern und die Rekrutierung von Fachkräften im Facility Management liegen auf der Hand. Ein interdisziplinärer Ausbildungshintergrund gewinnt an Bedeutung. Mit der digitalen Transformation und ohne entsprechende (Weiter-)Qualifizierungsmaßnahmen könnte sich der ohnehin schon existierende Fachkräftemangel einmal mehr verschärfen.

Wird die Transformationsphase geräuscharm verlaufen oder sehen Sie hohe Hürden für das Fortschreiten der digitalen Transformation in Unternehmen?

Die digitale Transformation in Unternehmen und Organisationen wird zu gravierenden Veränderungen führen. Sie wird nicht geräuscharm verlaufen und die Hürden wie starre Hierarchien und Bewahrertum sind nicht zu unterschätzen.

Es ist daher zwingend notwendig, ein Digital Change Management zu etablieren, um zur Veränderung zu ermutigen!

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