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Leitinterview mit Jens Tangenberg: Führen im Wandel – Der Faktor Mensch
Kontakt: Philip Schönfeld Datum: 12 Mai 2025 Lesedauer: 5 Minuten Kategorien: Kompetenz Themen: Führung, Leitinterview, Mitarbeiter, Motivation
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Jens Tangenberg ist selbstständiger Berater und Coach. Er hat Psychologie in Münster studiert und konzentriert sich auf die Organisations- und Personalentwicklung. Er berät in Seminaren und Trainings verschiedene Unternehmen wie die Porsche AG, thyssenkrupp Steel und Piepenbrock. Im Leitinterview verrät er, was moderne Mitarbeiterführung auszeichnet und was ein starker Teamgedanke bewirken kann.
Change Management, Transition Coaching, Digital Leadership: Fachbegriffe wie diese gehören vermutlich fest zu Ihrem beruflichen Alltag. Wie würden Sie einem Außenstehenden Ihren Job erklären?
Wie die Begriffe deutlich machen, befinden wir uns in einer Zeit des Wandels. Das gilt insbesondere für die Arbeitswelt: New Work ist hier ein wichtiges Stichwort. Führungskräften kommt im Kontext organisatorischer Veränderungsprozesse eine ganz besondere, hochanspruchsvolle Aufgabe zu. Einerseits sind sie es, die das Unternehmen in Zeiten des Wandels an eine sich ändernde Umwelt anpassen. Das bedeutet, sie sitzen im Cockpit und müssen in ihrem Verantwortungsbereich die richtigen Entscheidungen treffen. Gleichzeitig geht es auch darum, Menschen positiv mitzunehmen und ihnen Orientierung zu geben. Das ist der Leadership-Aspekt.
Wo Unklarheiten bestehen, bedeutet Führung, Klarheit über Ziele und Vorgehensweisen bestmöglich zu vermitteln. Dieser Balance-Akt kann oft überfordernd für Führungskräfte sein. Hier beginnt mein Job: Jeder Mensch hat das Potenzial, in diese schwierige Aufgabe hineinzuwachsen. Im Kontext von Seminaren und Coachings unterstütze ich Führungskräfte dabei, sich dieser Aufgabe im Bewusstsein der eigenen Fähigkeiten und auch Entwicklungsbereiche zu stellen und sich Schritt für Schritt weiterzuentwickeln.
Gibt es dabei ein Thema, das Ihnen besonders am Herzen liegt? Warum?
In der Führung geht es immer um den Menschen. Gerade in Veränderungsprozessen fokussieren wir uns oft zu stark auf Zahlen, Ziele und Prozesse. Ich blicke immer darauf, welche Persönlichkeiten in welchen konkreten Kontexten zusammenarbeiten. In der Führung gibt es von vornherein ganz selten den einen richtigen Weg. Vielmehr gibt es einen gemeinsamen Weg, den Menschen in einem Team miteinander finden.
Genau dieser Aspekt bedeutet mir in meiner Arbeit am meisten. Ich versuche immer, den Faktor Mensch mit zu betrachten und Teilnehmern meiner Seminare und Coachings zu helfen, ihren ganz individuellen Stil zu entwickeln. Dabei geht es für mich immer darum, einen guten und stabilen Kontakt aufzubauen und die Kommunikation nicht akademisch kompliziert, sondern klar und nachvollziehbar zu gestalten.
Was macht moderne Mitarbeiterführung in Ihren Augen aus?
Bei der Mitarbeiterführung geht es um zwei Aspekte. Erstens: Ziele und Vorgehensweisen müssen geklärt und aufeinander abgestimmt sein, sodass alle Teammitglieder eine klare Orientierung und einen möglichst konkreten Bezugsrahmen haben. Zweitens: Gerade heute geht es darum, Potenziale von Mitarbeitern zu entwickeln und ihnen Raum zum Wachstum zu geben. Das ist notwendig, um wertvolle Talente zu finden und sie anschließend auch zu halten. Im Idealfall agieren Führungskräfte als Coach und als Sparringspartner. Ihre Aufgabe besteht nach meiner Überzeugung zunächst darin, inspirierend zu wirken oder ein klares „Warum“ zu vermitteln.
Natürlich kommt es auch vor, dass Führungskräfte als Chef agieren müssen. Moderne Mitarbeiterführung bedeutet aus meiner Sicht, in einer dynamischen und komplexen Welt flexibel auf Veränderungen reagieren zu können – sei es durch agile Methoden oder schnelle Entscheidungsfindung. Der Fokus liegt anders als früher auf dem sogenannten „Empowerment“, also Mitarbeitende zu stärken und Selbstverantwortung zu fördern. Und es wird in der modernen Führung immer wichtiger, den Sinn in die Arbeit zu integrieren und ihre übergeordnete Bedeutung zu vermitteln.
Seit über 15 Jahren teilen Sie Ihr Wissen auch mit Fach- und Führungskräften bei Piepenbrock. Was hat sich aus Ihrer Sicht in dieser Zeit wesentlich verändert?
Die Anforderungen an Führungskräfte sind gestiegen. Dafür stehen Metatrends wie Digitalisierung, Agilität, New Work, zunehmender Wettbewerbsdruck und ganz allgemein die komplexer werdenden Bedürfnisse auf Kundenseite. Immer mehr geht es darum, unter größerem Zeitdruck und bei mehr Komplexität vertrauensvoll und konsistent zu kommunizieren. Das gilt im gleichen Maße auch für Piepenbrock. Gleichzeitig verändert sich in der Welt um uns herum die Kultur der Zusammenarbeit: Mitarbeitende begegnen ihren Arbeitgebern mit veränderten Anforderungen. Viel häufiger als früher kommt es vor, dass Mitarbeitende bereit sind, sich nach anderen Herausforderungen umzusehen, wenn es für sie nicht passt.
Das schafft eine ganz neue Ausgangssituation. Auch für Führungskräfte bei Piepenbrock heißt das, die richtigen Menschen zu finden und sie dann an das Unternehmen zu binden – soweit die Theorie! In der Praxis ist das immer ein schwieriger Balance-Akt, das spüre ich in den Schilderungen meiner Seminarteilnehmer ganz deutlich. Überspitzt formuliert stellt sich manchen Führungskräften die Frage: Wie deutlich darf ich kritische Aspekte thematisieren, ohne die Sorge haben zu müssen, dass ich Mitarbeiter verprelle? In dieser Form gab es das vor zehn bis 15 Jahren noch nicht.
Zum Schluss ein Blick in die Glaskugel: Welche Trends und Entwicklungen beobachten Sie aktuell in der Zusammenarbeit mit Unternehmen?
Das ist wirklich eine sehr komplexe Frage, auf die ich an dieser Stelle nur mit einigen kurzen Stichworten eingehen kann. Empathie in der Führung: Studien zeigen, dass Teams mit emotional intelligenten Führungspersonen produktiver und engagierter arbeiten. Mitarbeiter suchen zunehmend nach einem Umfeld, in dem eine Kultur des Vertrauens herrscht. New Work und New Learning: Die Balance zwischen Innovation und menschlicher Führung wird immer wichtiger. Führungskräfte müssen lernen, Künstliche Intelligenz und andere Technologien effektiv einzusetzen und neue Formate der Wissensvermittlung einzubeziehen – das alles, ohne die menschliche Komponente zu vernachlässigen! Hybride Arbeitsmodelle: Mit der Zunahme von hybriden und auch Remote-Arbeitskonstellationen verändert sich auch die Art und Weise, wie Teams interagieren. Hier stehen Führungskräfte vor der Herausforderung, Verbindung und Vertrauen in einer dezentralen Arbeitsumgebung zu fördern. Das erfordert neue Ansätze der Kommunikation und große Qualitäten im Beziehungsmanagement.
Agilität und Flexibilität: Die dynamische Marktumgebung verlangt von Führungskräften eine hohe Anpassungsfähigkeit. Agiles Denken und Handeln sind dabei unerlässlich, um flexibel auf Veränderungen reagieren zu können und Menschen entsprechend zu motivieren. Fokus auf das Wohlbefinden von Mitarbeitern: Das Wohlbefinden von Mitarbeitenden wird in diesen Zeiten immer bedeutsamer. Studien belegen, dass psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen und Burnout zu immer mehr Krankheitstagen führen. Studien kommen übereinstimmend zu dem Schluss, dass psychische Erkrankungen in Deutschland etwa 17 bis 20 Prozent aller Krankheitstage ausmachen. Dieses sind die wichtigsten Aspekte, die die rasante Veränderungsgeschwindigkeit in der Arbeitswelt signalisieren. Das soll aber nicht abschrecken. Es braucht eben keine Supermenschen, um mit all diesen Herausforderungen umzugehen. Vielmehr braucht es emotional begabte, authentische, zupackende und pragmatische Menschen im wahrsten Sinne des Wortes.
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